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VIERTER ABSCHNITT
Schutz des Herstellers von Tonträgern

(Anm. d. Red.: Entspricht §§ 85, 86 der endgültigen Gesetzesfassung.)

Der Schutz des Herstellers von Tonträgern beruht zur Zeit auf zwei Grundlagen: Der Hersteller von Tonträgern läßt sich in der Regel von den ausübenden Künstlern, deren Darbietungen er auf Tonträger aufnimmt, ihre Rechte aus § 2 Abs. 2 LUG abtreten. Dadurch erwirbt er das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen und gewerbsmäßig zu verbreiten. Außerdem genießt der Tonträgerhersteller den Schutz, den § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gegen die sittenwidrige Ausbeutung einer Leistung durch Mitbewerber bietet.

Der bestehende Schutz sichert die wirtschaftlichen Interessen des Herstellers von Tonträgern nicht in ausreichendem Maße. Die ausübenden Künstler haben sich weitgehend zu Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen, die ihre Rechte an Tonträgern wahrnehmen sollen. Dadurch kann dem Tonträgerhersteller der Erwerb dieser Rechte erschwert werden. Außerdem wirken bei der Herstellung eines Tonträgers nicht immer ausübende Künstler mit, z. B. dann nicht, wenn Tierstimmen oder andere Naturgeräusche, die keine Werke sind, auf Tonträger übertragen werden. In diesen Fällen kann sich der Tonträgerhersteller gegen eine unerlaubte Nachbildung oder Verwendung der Tonträger durch keine von den ausübenden Künstlern abgeleiteten Rechte schützen. Auch der Schutz auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb wird wegen der besonderen rein wettbewerblichen Voraussetzungen in § 1 UWG nicht immer durchgreifen, zumal insoweit häufig Beweisschwierigkeiten bestehen werden.

Der Entwurf sieht daher ein eigenes Leistungsschutzrecht des Herstellers von Tonträgern vor. Zwar erbringt dieser keine künstlerische Leistung wie der ausübende Künstler. Der Schutz erscheint jedoch mit Rücksicht auf die hochwertige technische Leistung und die großen wirtschaftlichen Aufwendungen, die die Herstellung eines zum Vertrieb geeigneten Tonträgers erfordert, gerechtfertigt.

Auch das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26. Oktober 1961 sieht ein eigenes Schutzrecht des Tonträgerherstellers vor. Der Leistungsschutz des Tonträgerherstellers beschränkt sich, anders als der Schutz des ausübenden Künstlers, nach dem Entwurf nicht auf die Aufnahme von Darbietungen eines Werkes auf Tonträger. Da es sich hier um den Schutz einer technischen, nicht einer künstlerischen Leistung handelt, kann es auf den Werkcharakter des aufgenommenen Objekts nicht entscheidend ankommen.

Es ist angeregt worden, das Leistungsschutzrecht nur denjenigen zu geben, die gewerbsmäßig Tonträger herstellen. Die Leistung des nichtgewerblichen Herstellers ist jedoch nicht grundsätzlich geringer zu bewerten als die des gewerblichen. Eine unterschiedliche Behandlung wäre daher nicht gerechtfertigt.

Zu § 95 - Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht

Absatz 1 Satz 1 umschreibt den Umfang des Schutzrechts des Tonträgerherstellers, das nach dem Entwurf auf das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten, beschränkt sein soll. Hinsichtlich der Benutzung des Tonträgers zur Funksendung und öffentlichen Wahrnehmbarmachung ist ein eigenes Recht des Tonträgerherstellers nicht vorgesehen, doch soll er insoweit einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an der dem ausübenden Künstler nach § 86 Abs. 2 und § 87 zustehenden Vergütung erhalten (vgl. § 96).

Absatz 1 Satz 2 stellt klar, daß im Falle einer gewerblichen Herstellung des Tonträgers der Inhaber des Unternehmens als Tonträgerhersteller anzusehen ist. Im Hinblick darauf, daß es bei der Herstellung eines Tonträgers weniger auf die persönliche Leistung als auf die Bereitstellung der erforderlichen technischen und wirtschaftlichen Mittel ankommt, erscheint es geboten, hier von dem sonst geltenden Grundsatz, daß Inhaber des Schutzrechts wird, wer die geschützte Leistung persönlich erbringt, abzuweichen.

Das Schutzrecht des Tonträgerherstellers soll für das technische Können und die wirtschaftlichen Aufwendungen gewährt werden, die für die erstmalige Aufnahme einer Werkdarbietung oder einer sonstigen Tonfolge auf einen Tonträger erforderlich sind, nicht für die Herstellung eines Tonträgers durch Kopieren einer bereits vorhandenen Aufnahme. Da der vom Entwurf in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch verwendete Begriff der Herstellung eines Tonträgers auch die Herstellung der Kopie umfaßt, stellt Absatz 1 Satz 3 klar, daß das Schutzrecht des § 95 nicht durch bloße Vervielfältigung eines vorhandenen Tonträgers erworben werden kann, also z. B. nicht durch Überspielung einer Schallplatte auf Tonband oder durch Mitschneiden einer durch Rundfunk gesendeten Tonaufnahme. Die Schutzfrist soll nach Absatz 2 25 Jahre betragen. Die Berechnung der Schutzfrist, die für erschienene Tonträger auf den Zeitpunkt des Erscheinens, für nichterschienene auf den Zeitpunkt der Herstellung abstellt, entspricht der für den Lichtbildschutz und den Schutz des ausübenden Künstlers vorgesehenen Regelung.

In Absatz 3 werden, wie bei allen verwandten Schutzrechten, die Bestimmungen über die Schranken des Urheberrechts für sinngemäß anwendbar erklärt.

Absatz 4 stellt klar, daß das Schutzrecht nach § 95 einen sich aus anderen gesetzlichen Vorschriften etwa ergebenden Schutz des Tonträgerherstellers nicht ausschließt. Gedacht ist hierbei insbesondere an den Schutz nach § 1 UWG. Die Aufrechterhaltung dieses Schutzes erscheint insbesondere aus zwei Gründen erforderlich:

Es ist möglich, daß ein Tonträger eines ausländischen Herstellers nach den Bestimmungen über den Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes in der Bundesrepublik keinen Schutz genießt. Gehört in diesem Fall der Hersteller einem Lande des Pariser Verbandes zum Schutze des gewerblichen Eigentums an, so besteht nach Artikel 10bis der Pariser Verbandsübereinkunft für jedes Verbandsland die Verpflichtung, ihm einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb zu sichern. Wenn z. B. der Tonträger dieses Herstellers in der Bundesrepublik von einem anderen Hersteller unerlaubterweise vervielfältigt wird, könnte das nach § 1 UWG unzulässig sein. Dieser Schutz darf den ausländischen Staatsangehörigen nicht entzogen werden. Ferner ist zu berücksichtigen, daß der dem Tonträgerhersteller nach geltendem Recht aus § 1 UWG zustehende Schutz unbefristet ist. Würde § 95 als lex specialis die Anwendung dieser Bestimmung ausschließen, so könnte sich in Zukunft der Tonträgerhersteller auch nach Ablauf seines Leistungsschutzrechtes nicht mehr auf § 1 UWG berufen; denn nach herrschender Ansicht ist in den Fällen, in denen ein Sonderschutz gewährt wird, nach Erlöschen dieses Sonderschutzrechtes für einen Schutz aus § 1 UWG kein Raum mehr. Eine Schlechterstellung des Tonträgerherstellers gegenüber dem geltenden Recht ist aber insoweit nicht beabsichtigt.

Zu § 96 - Anspruch auf Beteilgung

Aus den gleichen Gründen, aus denen der Entwurf dem ausübenden Künstler keine ausschließlichen Rechte an der Zweitverwertung seiner Darbietung durch Funksendung oder öffentliche Wiedergabe mittels Bild- oder Tonträger zubilligt (vgl. zu § 86 Abs. 2 und § 87), kommt auch ein ausschließliches Recht des Tonträgerherstellers an der Benutzung seines Tonträgers zu öffentlichen Wiedergaben nicht in Betracht. Es erscheint jedoch gerechtfertigt, dem Tonträgerhersteller eine angemessene Vergütung für diese zusätzliche Auswertung seiner Leistung zuzubilligen. Dies könnte in der Weise geschehen, daß dem Tonträgerhersteller ein eigener Vergütungsanspruch neben dem des ausübenden Künstlers gewährt würde. Eine solche Mehrheit von Ansprüchen, die zu einer zusätzlichen Belastung der Sendegesellschaften und der Veranstalter öffentlicher Wiedergaben mittels Tonträger führen würde, erscheint jedoch nicht wünschenswert. Es soll daher im Falle der Verwendung eines Tonträgers zur Funksendung oder öffentlichen Wiedergabe dem ausübenden Künstler und dem Hersteller des Tonträgers nur eine einzige angemessene Vergütung zu zahlen sein. Bei der Abwägung, wem der Anspruch zuerkannt werden soll, ist dem ausübenden Künstler für seine künstlerische Leistung der Vorzug vor dem Hersteller des Tonträgers zu geben, der nur eine - wenn auch hochqualifizierte - technische Leistung erbringt. Der Entwurf gewährt daher im Außenverhältnis allein dem ausübenden Künstler den Vergütungsanspruch, sieht jedoch in § 96 einen Anspruch des Tonträgerherstellers auf eine angemessene interne Beteiligung an der Vergütung vor. In der Praxis hat der Streit, wer den Vergütungsanspruch und wer den Beteiligungsanspruch erhalten soll, weitgehend an Bedeutung verloren, nachdem sich ausübende Künstler und Tonträgerhersteller in der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) zu einer gemeinsamen Verwertung ihrer Rechte zusammengeschlossen haben.

Entsprechend der Regelung in § 86 Abs. 2 ist der Beteiligungsanspruch des Tonträgerherstellers auf erschienene, d. h. der Öffentlichkeit angebotene oder in Verkehr gebrachte Tonträger beschränkt.

Für die Höhe der Beteiligung des Tonträgerherstellers an der Vergütung des ausübenden Künstlers legt der Entwurf keinen bestimmten Anteilssatz fest. Er beschränkt sich darauf, auszusprechen, dass die Beteiligung angemessen sein muß. Über die Angemessenheit haben im Streitfall die Gerichte zu entscheiden. Der Anregung, die Entscheidung der in § 14 des Entwurfs eines Verwertungsgesellschaftengesetzes vorgesehenen Schiedsstelle zu übertragen, folgt der Entwurf nicht. Die Schiedsstelle soll bei Streitigkeiten zwischen Verwertungsgesellschaften und Verwertern, nicht aber bei Auseinandersetzungen der einzelnen Berechtigten untereinander zur Entscheidung berufen sein.

S. Gesetzeswortlaut des vierten Abschnitts.