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ZWEITER ABSCHNITT
Das Werk

Zu § 2 - Geschützte Werke

Im geltenden Recht sind die einzelnen geschützten Werkarten abschließend aufgezählt (§ 1 LUG, §§ 1 bis 3 KUG). Dies hat zu Schwierigkeiten bei dem Aufkommen neuer Werkarten geführt; so bedurfte es z. B. einer Gesetzesnovelle um klarzustellen, daß auch ein Filmwerk Urheberrechtsschutz genießt (§ 15 a KUG). Der Entwurf unterstellt deshalb allgemein die Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst dem Schutz des Gesetzes und beschränkt sich darauf, die einzelnen Werkarten als Beispiele zu nennen (Absatz 1). Sollten sich im Laufe der Zeit neue Werkarten bilden, sind diese somit ohne weiteres geschützt.

Bei der Aufzählung der geschützten Werkarten folgt der Entwurf im wesentlichen dem geltenden Recht, faßt jedoch die Aufzählung straffer zusammen. Die in den geltenden Gesetzen zum Teil bei den einzelnen Werkarten aufgeführten Beschränkungen werden nicht beibehalten, da eine unterschiedliche Behandlung der Werkarten nicht gerechtfertigt erscheint. So ist es nach Absatz 1 Nr. 1 für den Schutz von Reden, die der Entwurf mit den Schriftwerken unter dem Oberbegriff "Sprachwerke" zusammenfaßt, nicht mehr erforderlich, daß sie dem Zweck der Erbauung, der Belehrung oder der Unterhaltung dienen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 LUG). Ferner ist nach Absatz 1 Nr. 3 der Schutz von pantomimischen Werken nicht mehr an die Voraussetzung gebunden, daß der Bühnenvorgang schriftlich oder auf andere Weise festgelegt ist (vgl. § 1 Abs. 2 LUG), und nach Absatz 1 Nr. 4 der Schutz von Bauwerken künftig nicht mehr auf solche beschränkt, die künstlerische Zwecke verfolgen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KUG). Eine wesentliche praktische Bedeutung haben diese Einschränkungen ohnehin nicht gehabt.

Die Erwähnung der Lichtbildwerke in Absatz 1 Nr. 5 entspricht dem Wortlaut nach dem geltenden Recht (vgl. §§ 1 und 3 KUG: "Werke der Photographie"), sachlich besteht jedoch eine Einschränkung. Unter "Werken der Photographie" im Sinne des KUG werden nach herrschender Auffassung alle Erzeugnisse der Photographie verstanden, gleichgültig, ob sie die sonst an den Begriff des Werkes gestellte Anforderung einer "persönlichen geistigen Schöpfung" (vgl. Absatz 2) erfüllen oder nicht, also auch alle Aufnahmen, die nicht Ergebnis schöpferischer Tätigkeit sind, wie die meisten Amateuraufnahmen. Der Entwurf übernimmt diese systemwidrige Ausweitung des Urheberrechtsschutzes auf bloße technische Erzeugnisse nicht; er beschränkt den Urheberrechtsschutz auf die Lichtbildwerke und gewährt den nicht schöpferischen Erzeugnissen der Photographie (Lichtbildern) lediglich einen Leistungsschutz, der in § 82 geregelt ist. Bei der Ausgestaltung des Lichtbildschutzes war allerdings zu berücksichtigen, daß die Abgrenzung zwischen Lichtbildwerken und Lichtbildern in der Praxis außerordentliche Schwierigkeiten bereiten würde. Um diese zu vermeiden, sieht der Entwurf - insoweit wieder in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht - für Lichtbildwerke und Lichtbilder einen nach Umfang und Dauer völlig gleichen Schutz vor (vgl. zu § 82). Der Entwurf übernimmt nicht die im Ministerialentwurf von 1959 vorgeschlagene Regelung, nach der für sämtliche Lichtbilder einheitlich nur ein Leistungsschutzrecht gewährt werden sollte. Es erscheint unangemessen, auf diese Weise einem wenn auch nur kleinen Kreis echter schöpferischer Leistungen den urheberrechtlichen Schutz zu versagen und damit den Eindruck zu erwecken, als ob auf dem Gebiet der Photographie schöpferische Leistungen nicht möglich wären.

Die Filmwerke werden in den geltenden Urheberrechtsgesetzen nicht als selbständige Werkgattung genannt. Nach heute herrschender Auffassung handelt es sich jedoch auch bei ihnen um Werke eigener Art, nicht etwa nur um die auf dem Filmstreiten festgehaltene Aufführung des Drehbuchs; die Verschmelzung der beider Verfilmung benutzten Werke zu einer Einheit und ihre Umwandlung in das Bildliche stellen einen eigenen schöpferischen Vorgang dar, bei dem das Filmwerk als ein neues Werk entsteht. In Übereinstimmung mit Artikel 2 Abs. 1 der Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft und Artikel I des Welturheberrechtsabkommens werden daher die Filmwerke in Absatz 1 Nr. 6 als geschützte Werkart besonders erwähnt. Die allgemeinen urheberrechtlichen Vorschriften des Ersten Teils sowie die Vorschriften des Zweiten Teils über verwandte Schutzrechte gelten für Filmwerke nur, soweit im Dritten Teil des Entwurfs (Besondere Bestimmungen für Filme) nichts anderes bestimmt ist.

Die Erwähnung der Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art in Absatz 1 Nr. 7 entspricht § 1 Abs. 1 Nr. 3 LUG. Der Entwurf ersetzt den dort verwendeten Begriff "Abbildungen" durch das Wort "Darstellungen" um klarzustellen, daß auch wissenschaftliche Schemata, Tabellen und graphische Darstellungen Urheberrechtsschutz genießen können. Voraussetzung für den Urheberrechtsschutz der Darstellungen ist wie bei allen in Absatz 1 aufgeführten Werkarten, daß es sich um persönliche geistige Schöpfungen im Sinne des Absatzes 2 handelt.

In Absatz 2 bringt der Entwurf zum Ausdruck, daß unter "Werken" im Sinne des Gesetzes nur persönliche geistige Schöpfungen zu verstehen sind. In den geltenden Urheberrechtsgesetzen ist eine solche Definition nicht enthalten; sie bedeutet jedoch keine Änderung des geltenden Rechts, sondern entspricht dem, was zur Zeit schon in Rechtslehre und Rechtsprechung unter dem Begriff "Werke" verstanden wird. Als "persönliche geistige Schöpfungen" sind Erzeugnisse anzusehen, die durch ihren Inhalt oder, durch ihre Form oder durch die Verbindung von Inhalt und Form etwas Neues und Eigentümliches darstellen. Dem Vorschlag, die geschützten Werke als "Schöpfungen eigentümlicher Prägung" zu definieren, folgt der Entwurf nicht. Eine solche Begriffsbestimmung erscheint bedenklich, weil sie das Erfordernis der individuellen Form zu sehr betont und zu dem Schluß verführen könnte, daß im Gegensatz zum geltenden Recht Werke von geringem schöpferischen Wert, die sog. "Kleine Münze", in Zukunft keinen Schutz mehr genießen sollen. Ein solche Änderung gegenüber dem geltenden Recht ist nicht beabsichtigt.

Zu § 3 - Bearbeitungen

In Übereinstimmung mit Artikel 2 Abs. 2 der Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft ist vorgesehen, daß Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt werden. Umarbeitungen, die nicht das Ergebnis persönlicher Gestaltungskraft darstellen, sondern von jedem vorgenommen werden Können, der über die notwendige technische Vorbildung verfügt, wie z. B. Änderungen der Tonart oder Stimmlage bei Werken der Musik, sind keine geistigen Schöpfungen, die Urheberrechtsschutz verdienen.

Die Regelung des Entwurfs entspricht sachlich dem geltenden Recht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LUG, § 15 Abs. 2 KUG). Der Entwurf übernimmt jedoch nicht die Bestimmung des § 2 Abs. 2 LUG, nach der die durch einen persönlichen Vortrag oder durch Lochen, Stanzen usw. bewirkte Übertragung eines Werkes der Literatur oder der Tonkunst auf "Vorrichtungen für Instrumente, die der mechanischen Wiedergabe für das Gehör dienen", (Tonträger) einer Bearbeitung gleichgestellt wird. Eine solche Übertragung ist keine persönliche geistige Schöpfung des vortragenden Künstlers oder des Herstellers der mechanischen Vorrichtung, sondern eine Vervielfältigung des übertragenen Werkes (vgl. im einzelnen zu § 16 Abs. 2). Ein urheberrechtlicher Schutz ist in diesem Falle nicht gerechtfertigt. Nach dem Entwurf sollen statt dessen dem ausübenden Künstler und dem Tonträgerhersteller Leistungsschutzrechte gewährt werden (vgl. §§ 83 bis 96).

Der Entwurf beschränkt sich darauf, das wichtigste Beispiel einer Bearbeitung, die Übersetzung eines Sprachwerkes, ausdrücklich zu nennen. Danebenkommen andere Fälle in Betracht, wie z. B. die Dramatisierung oder Verfilmung eines Werkes und jede andere schöpferische Neugestaltung.

Das Urheberrecht an Bearbeitungen wird mit Recht als abgeleitetes Urheberrecht bezeichnet, da jede Verwertung einer Bearbeitung zugleich auch eine Verwertung des Originalwerkes bedeutet und somit der Einwilligung des Urhebers des Originalwerkes bedarf. Diese Einschränkung der Rechte des Bearbeiters ist durch die Worte "unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk" zum Ausdruck gebracht; sie wird durch die Vorschrift des § 23 dahin näher geregelt, daß die Bearbeitung eines Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden darf.

Von der Bearbeitung eines Werkes ist dessen freie Benutzung zu einer selbständigen Neuschöpfung zu unterscheiden, zu deren Verwertung nach § 24 ebenso wie nach geltendem Recht (§ 13 LUG, § 16 KUG) die Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes nicht erforderlich ist.

Zu § 4 - Sammelwerke

Die geltenden Gesetze enthalten keine allgemeinen Vorschriften über Sammlungen, sondern beschäftigen sich in § 4 LUG und § 6 KUG nur mit den "Werken, die aus den getrennten Beiträgen mehrerer bestehen (Sammelwerk)", und geben bei ihnen das Urheberrecht für das "Werk als Ganzes" dem Herausgeber oder, falls ein solcher nicht genannt ist, dem Verleger. Diese Vorschriften ziehen also nur die Sammelwerke im engeren Sinne, wie Konversationslexika oder Enzyklopädien, in Betracht, die aus planmäßig für einen bestimmten Zweck hergestellten Beiträgen bestehen. Nach dem Entwurf sollen nunmehr alle Sammlungen von Werken oder anderen Beiträgen als "Sammelwerke" Urheberrechtsschutz genießen, allerdings entsprechend dem Grundgedanken des § 2 Abs. 2 nur unter der Voraussetzung, daß sie durch Auslese oder Anordnung eine persönliche geistige Schöpfung sind. Neben Lexika und Enzyklopädien können somit auch Anthologien, Kochbücher, Adreßbücher und dergl. als Sammelwerke geschützt sein, sofern die Auslese oder Anordnung der Beiträge, die selbst keine Werke zu sein brauchen, eine schöpferische Leistung darstellt. Handelt es sich bei den Beiträgen um Werke, so bleibt der an ihnen bestehende Urheberrechtsschutz unberührt, wie durch die Worte "unbeschadet des Urheberrechts an den aufgenommenen Werken" zum Ausdruck gebracht wird. Die Regelung entspricht der schon im geltenden Recht entwickelten Rechtsprechung und im wesentlichen der Bestimmung in Artikel 2 Abs. 3 der Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft, die allerdings - ohne überzeugenden Grund - auf Sammlungen von Werken beschränkt ist.

Das Urheberrecht an dem Sammelwerk steht seinem geistigen Schöpfer zu (§ 7). Ist der Urheber des Sammelwerkes nicht genannt, so wird nach § 10 Abs. 2 vermutet, daß der Herausgeber oder, wenn kein Herausgeber bezeichnet ist, der Verleger ermächtigt ist, die dem Urheber zustehenden Rechte geltend zu machen.

Zu § 5 - Amtliche Werke

Das geltende Recht (§§ 16, 26 LUG) erklärt den Abdruck, die Verbreitung und den öffentlichen Vortrag von "Gesetzbüchern, Gesetzen, Verordnungen, amtlichen Erlassen und Entscheidungen sowie von anderen zum amtlichen Gebrauch hergestellten amtlichen Schriften" für zulässig. Diese Ausnahmevorschriften werden damit gerechtfertigt, daß das öffentliche Interesse die möglichst weite Verbreitung solcher Werke erfordere, und daß die kraft ihres Amtes zur Schaffung solcher Werke berufenen Verfasser entweder überhaupt kein Interesse an der Verwertung ihrer Leistungen hätten oder ihre Interessen hinter denen der Allgemeinheit zurücktreten müßten.

Der Entwurf übernimmt diese Regelung mit einigen zum Teil wesentlichen Änderungen.

Während das geltende Recht lediglich die Verwertung der amtlichen Werke frei zuläßt, sieht der Enwurf einen völligen Ausschluß des Urheberrechtsschutzes für diese Werke vor, d. h. an ihnen sollen auch keine urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnisse geltend gemacht werden können. Diese Regelung erscheint gerechtfertigt, weil bei amtlichen Werken eine schutzwürdige persönliche Beziehung zwischen Urheber und Werk in der Regel nicht besteht. Es muß der Behörde, die die Entstehung des Werkes veranlaßt hat, freistehen, über das Werk ohne Rücksicht auf persönlichkeitsrechtliche Befugnisse, insbesondere ohne Namensangabe des Urhebers, zu verfügen. Wird ein amtliches Werk durch Dritte unrichtig wiedergegeben oder entstellt, so mag die Behörde, wenn sie dies für notwendig hält, eine Richtigstellung veröffentlichen oder sonst in geeigneter Weise die Öffentlichkeit über die Unrichtigkeit der Wiedergabe aufklären. Eine Klage wegen Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts erscheint hierfür nicht als das geeignete Mittel.

Absatz 1 zählt diejenigen amtlichen Werke auf, die ohne weitere Voraussetzung vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sind. Die Aufzählung folgt im wesentlichen der Regelung in § 16 LUG, erwähnt jedoch neben den Entscheidungen zusätzlich die amtlich verfaßten Leitsätze zu Entscheidungen um klarzustellen, daß auch an diesen kein Urheberrechtsschutz besteht. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, daß zugleich mit den Entscheidungen auch die amtlich verfaßten Leitsätze vervielfältigt und der Öffentlichkeit mitgeteilt werden dürfen.

Absatz 2 regelt die Voraussetzungen, unter denen andere amtliche Werke der Freistellung vom Urheberrechtsschutz unterliegen. Nach § 16 LUG werden neben den Gesetzen, Verordnungen usw. die sonstigen "zum amtlichen Gebrauch hergestellten amtlichen Schriften" zum Abdruck freigegeben. Darunter sind nach der herrschenden Lehre Schriftwerke und Abbildungen wissenschaftlicher oder technischer Art zu verstehen, die von einer Behörde oder einer zur Ausübung eines öffentlichen Amts bestellten Person auf Grund amtlicher Verpflichtung verfaßt und ausschließlich oder überwiegend zum amtlichen Gebrauch bestimmt sind. Der Entwurf erweitert diese Regelung, indem er nicht nur amtliche "Schriften", sondern alle amtlichen Werke vom Urheberrechtsschutz freistellt, gleichgültig, welcher Werkgattung sie angehören. Zugleich enthält der Entwurf eine Änderung des geltenden Rechts, die dieses zum Teil erheblich einschränkt: Statt der Herstellung des Werkes "zum amtlichen Gebrauch" fordert er als Voraussetzung für die Freistellung vom Urheberrechtsschutz, daß das Werk "im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht" sein muß. Danach bleibt der Urheberrechtsschutz für Werke, die lediglich zum inneramtlichen Gebrauch hergestellt sind, voll erhalten; insoweit ist ein Bedürfnis für eine allgemeine Nachdruckfreiheit nicht anzuerkennen. Für die besonders bedeutsame Frage des Urheberrechtsschutzes amtlicher Kartenwerke ergibt sich hieraus, daß diese in der Regel Urheberrechtsschutz genießen, weil sie nicht im amtlichen Interesse von der Behörde veröffentlicht werden. Ein amtliches Interesse an der Veröffentlichung eines Kartenwerkes kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden, z. B. wenn eine Behörde eine Karte von der Meeresküste veröffentlicht, in der die für Badende gefährlichen Stellen besonders bezeichnet sind.

Es kann vorkommen, daß in den Fällen des Absatzes 2 die Behörde zwar eine möglichst weite Verbreitung des Werkes wünscht, dennoch aber ein Interesse daran hat, den Nachdruck des Werkes zu überwachen, etwa weil ein ungenauer oder entstellter Nachdruck besonders nachteilige Folgen haben würde. Der Entwurf sieht daher vor, daß sich die Behörde durch einen Vorbehalt der Rechte den Urheberrechtsschutz erhalten kann. Ferner bestimmt Absatz 2 Satz 2 durch die Verweisung auf die Vorschriften über die Quellenangabe in § 63 Abs. 1 und 2, daß bei jeder Vervielfältigung des Werkes und, soweit dies die Verkehrssitte erfordert, auch bei jeder öffentlichen Wiedergabe des Werkes die herausgebende Behörde zu nennen ist.

Zu § 6 - Veröffentlichte und erschienene Werke

Der Entwurf knüpft an die Veröffentlichung eines Werkes in verschiedenen Fällen bestimmte Rechtsfolgen, so z. B. die Freigabe der Benutzung des Werkes als Zitat im Falle des § 51 Nr. 2 oder den Beginn der Schutzfrist bei anonymen und pseudonymen Werken (§ 69 Abs. 1).

Neben der Veröffentlichung ist auch das Erscheinen eines Werkes in zahlreichen Fällen von rechtserheblicher Bedeutung, beispielsweise für das Entstehen eines gesetzlichen Nutzungsrechts nach § 64, für den Beginn der Schutzfrist bei Lichtbildwerken (§ 71) und für die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Werke ausländischer Staatsangehöriger (§ 131).

Das künftige Recht sollte daher keinen Zweifel darüber bestehen lassen, was unter der Veröffentlichung und dem Erscheinen eines Werkes zu verstehen ist. Der Entwurf bringt deshalb im Gegensatz zu den geltenden Urheberrechtsgesetzen eine Begriffsbestimmung für die Veröffentlichung und das Erscheinen; sie folgt der bisherigen Rechtsauffassung.

Ein Werk veröffentlichen heißt, es der Öffentlichkeit zugänglich machen, gleichviel auf welche Art das geschieht (Absatz 1). Als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht ist ein Werk anzusehen, wenn die Allgemeinheit die Möglichkeit erhalten hat, es mit Auge oder Ohr wahrzunehmen. Dafür ist nicht erforderlich, daß der Öffentlichkeit ein Vervielfältigungsstück des Werkes (z. B. Buch, Noten oder dergl.) zur Verfügung gestellt wird.

Entsprechend den geltenden Gesetzen (§ 35 LUG, § 30 KUG) gilt ein Werk nur dann als veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, wenn also der Berechtigte entweder vorher in die Veröffentlichung eingewilligt oder sie nachträglich genehmigt hat. Berechtigt zur Veröffentlichung ist in erster Linie der Urheber selbst, ferner derjenige, dem ein die Befugnis zur Veröffentlichung einschließendes Nutzungsrecht eingeräumt ist, wie z. B. der Verleger.

Das Erscheinen ist eine qualifizierte Art der Veröffentlichung. Nach Absatz 2 Satz 1 ist ein Werk erschienen, sobald mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werkes in genügender Anzahl nach ihrer Herstellung der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind. Hinsichtlich des Erfordernisses der Zustimmung des Berechtigten gilt das gleiche wie bei der Veröffentlichung. Nach dem Entwurf genügt zum Erscheinen, daß Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit angeboten werden; sie brauchen also nicht schon in Verkehr gebracht worden zu sein. Andererseits soll die bloße Aufforderung, Bestellungen auf noch nicht vorhandene Vervielfältigungsstücke zu machen, zum Begriff des Erscheinens nicht ausreichen; die Vervielfältigungsstücke müssen schon hergestellt sein, und zwar in einer zur Deckung des normalen Bedarfs genügenden Anzahl. Soweit es, wie bei den Bestimmungen über den Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 131 sowie §§ 134 bis 137), auf den Ort des Erscheinens ankommt, ist durch die Formulierung "nach ihrer Herstellung der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht" klargestellt, daß die Herstellung der Vervielfältigungsstücke zwar Voraussetzung, nicht aber Bestandteil des Erscheinungsbegriffs ist. Ein Werk ist danach überall dort erschienen, wo Vervielfältigungsstücke des Werkes in genügender Anzahl angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind; der Ort der Herstellung der Vervielfältigungsstücke ist gleichgültig.

Für das Erscheinen eines Werkes ist es unerheblich, ob die Vervielfältigungsstücke durch Veräußerung oder lediglich durch Verleihen oder Vermieten in Verkehr gebracht worden sind. Auch ein Werk der Musik, dessen Notenmaterial vom Verlag nur leihweise für Aufführungen zur Verfügung gestellt worden ist, ist erschienen, ebenso ein Film, der in Verleih gegeben worden ist. Entsprechend genügt ein öffentliches Angebot zur Leihe oder zur Miete; ein Angebot der Vervielfältigungsstücke zum Erwerb ist nicht erforderlich. Dieser weite Erscheinensbegriff entspricht der Regelung in Artikel 4 Abs. 4 Satz 1 der Brüsseler Fassung der Berner Übereinkunft. Dem Vorschlag, den Begriff einzuengen in der Weise, daß nur ein Angebot zum Erwerb oder ein Inverkehrbringen durch. Veräußerung das Erscheinen des Werkes bewirkt, wird deshalb nicht gefolgt.

Absatz 2 Satz 2 enthält eine Sonderregelung für Werke der bildenden Künste. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß diese in der Regel anders als Werke der Literatur und der Musik nicht durch Angebot oder Inverkehrbringen von Vervielfältigungsstücken bleibend der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sondern dadurch, daß sie an öffentlichen Plätzen, in Museen usw. bleibend ausgestellt werden. Bereits im geltenden Recht wird daher teilweise dieser Tatbestand dem Erscheinen des Werkes gleichgeachtet (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 KUG). Es erscheint gerechtfertigt, die Gleichstellung als allgemeine Regel in die Definition des Erscheinensbegriffs einzubeziehen.

S. 2. Abschnitt in der konsolidierten Fassung.